Das Konzept des Lebenssinns wurde vor mehr als 70 Jahren in die Psychologie eingeführt.
Als Pionier auf diesem Gebiet gilt Viktor Frankl, der Begründer der Existenzanalyse und der Logotherapie. Er stellte den Sinn im Leben in den Mittelpunkt der menschlichen Existenz und nahm an, dass der Mensch nach dem Sinn im Leben sucht. Dabei sah er die Erfahrung von Sinn als eine einzigartige menschliche Kompetenz und Ressource an, die sich positiv auf Faktoren des menschlichen Wohlbefindens auswirken kann. Frankl, der den Holocaust überlebt hat, ging davon aus, dass Sinn im Leben die Widerstandsfähigkeit gegenüber traumatischen Ereignissen fördert. Sein Buch „Man’s search for meaning“ veranschaulicht die entscheidende Rolle des Lebenssinns für das psychische und körperliche Wohlbefinden von Gefangenen in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten (Frankl, 1946/1959).
Demnach kann der bestehende Lebenssinn eine schützende Ressource sein, die die negativen Auswirkungen von unangenehmen Erfahrungen auf das Wohlbefinden abschwächt (Frankl, 1995). Ein starkes Gefühl für den Sinn im Leben kann eine spezifische Verletzung von Überzeugungen oder Zielen relativieren, so dass die Verletzung nicht mehr so unangenehm ist. Aus Frankls Perspektive kann sich das Individuum „über die Leiden des Augenblicks erheben“ (Frankl 1946/1959, S. 95).
Lebenssinn fördert Ihre individuelle Resilienz
Basierend auf Frankl’s Annahme konnte Wong (Wong 1998a; Wong 1998b) nachweisen, dass das Vorhandensein von Lebenssinn zum einen eine wesentliche Voraussetzung für psychische Gesundheit und persönliches Wachstum ist. Und zum anderen eine wichtige Moderatorvariable bezüglich Copingstrategien und Stressresilienz. Aktuelle Studien zeigen:
- Lebenssinn steht in einem umgekehrten Verhältnis zu allgemeiner psychischer Belastung, Angst und Depression (Steger, Oishi & Kashdan, 2009)
- Lebenssinn beeinflusst die Beziehung zwischen Trauma-Intensität und PTBS-Symptomen (Haynes et al., 2017)
- Lebenssinn spielt eine schützende Rolle bei Suizidgedanken, Suizidversuchen und nicht-suizidalen Selbstverletzungen (Constanza et al., 2020)
- es besteht ein umgekehrter Zusammenhang zwischen dem Lebenssinn und negativem Affekt (Eakman, 2014)
- Lebenssinn ist eine wichtige Moderatorvariable im Hinblick auf Copingstrategie und Widerstandsfähigkeit bei Stress (Owens, Steger, Whitesell & Herrera, 2009)
Zusätzlich zeigen Forschungsarbeiten den Zusammenhang zwischen Sinnerleben und
psychischer Gesundheit: Menschen, die Sinnerfüllung erleben, zeigen sich motivierter, können sich selbst besser aktivieren oder beruhigen und haben eine verbesserte Aufmerksamkeitssteuerung (Damásio, Koller & Schnell, 2013).
Außerdem kämpfen Menschen, die ein sinnerfülltes Leben führen, weniger mit psychischen Problemen wie Neurotizismus, Depression und Ängsten (Owens, Steger, Whitesell & Herrera, 2009). Ferner ist der Lebenssinn ein positiver Schlüsselfaktor für die Langlebigkeit und Lebensdauer von Menschen (Martela, Laitinen & Hakulinen, 2024).
Was bedeutet dies nun für Sie?
Neben der Erkenntnis, das ein bestehender Sinn im Leben die Gesundheit positiv beeinflussen kann, ist auch die essenzielle Rolle des Lebenssinns für ein Gelingen des eigenen Lebens als wissenschaftlich gesichert angesehen (King, Hicks, Krull & Del Gaiso, 2006). Außerdem deuten Studienergebnisse an, dass die Stiftung von Lebenssinn Menschen ermöglichen kann auf Stress und Trauma flexibler zu reagieren (McKnight & Kashdan, 2009).
Wenn Sie Ihrer psychischen und körperlichen Gesundheit Gutes tun möchten, dann kann es wichtig sein, zu ermitteln wie viel Sinn Sie in Ihrem Leben empfinden. Sollten die Testwerte eher geringer ausfallen, dann kann eine genauere Analyse Ihrer Kontrollüberzeugungen und Einstellungen hilfreich sein, um eine nachhaltige Sinnstiftung zu erzielen.
Mehr erfahren Sie in den Beiträgen # 1 Innerpsychische Einflussfaktoren auf den Lebenssinn und # 2 Lebenssinn in Psychotherapie & Coaching.
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Bibliografie
Costanza, A., Baertschi, M., Richard-Lepouriel, H., Weber, K., Pompili, M., & Canuto, A. (2020). The presence and the search constructs of meaning in life in suicidal patients attending a psychiatric emergency department. Frontiers in psychiatry, 11, 327.
Damásio, B. F., Koller, S. H. & Schnell, T. (2013). The Sources of Meaning and Meaning in life questionnaire (SoMe): Psychometric properties and sociodemographic findings in a large Brazilian sample. Acta de Investigación Psicológica 3(3), 1205–1227.
Eakman, A. M. (2014). A prospective longitudinal study testing relationships between meaningful activities, basic psychological needs fulfillment, and meaning in life. OTJR: Occupation, Participation, and Health, 34, 93–105. https://doi.org/10.3928/15394492-20140211-01
Frankl, V. (1959). Man’s search for meaning. Washington Square Press. (Originalveröffentlichung 1946).
Frankl, V. E. (1995). Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn. Eine Auswahl aus dem Gesamtwerk (7. Auflage). München: Piper.
Haynes, W. C., Van Tongeren, D. R., Aten, J., Davis, E. B., Davis, D. E., Hook, J. N., Boan, D. & Johnson, T. (2017). The meaning as a buffer hypothesis: Spiritual meaning attenuates the effect of disaster-related resource loss on posttraumatic stress. Psychology of Religion and Spirituality, 9(4), 446–453. https://doi.org/10.1037/rel0000098
King, L. A., Hicks, J. A., Krull, J. L., & Del Gaiso, A. K. (2006). Positive affect and the experience of meaning in life. Journal of Personality and Social Psychology, 90(1), 179–196. https://doi.org/10.1037/0022-3514.90.1.179
Martela, F., Laitinen, E. & Hakulinen, C. (2024). Which predicts longevity better: Satisfaction with life or purpose in life? Psychology and Aging, 39(6), 589–598. https://doi.org/10.1037/pag0000802
McKnight, P. E. & Kashdan, T. B. (2009). Purpose in life as a system that creates and sustains health and well-being: an integrative, testable theory. Review of General Psychology, 13(3), 242-251. https://doi.org/10.1037/a0017152
Steger, M. F., Oishi, S. & Kashdan, T. B. (2009): Meaning in life across the life span: levels and correlates of meaning iin life from emerging adulthood to older adulthood. The Journal of Positive Psychology, 4(1), 43-52. https://doi.org/10.1080/17439760802303127
Owens, G. P., Steger, M. F., Whitesell, A. A. & Herrera, J. C. (2009). Posttraumatic stress disorder, guilt, depression and meaning in life among military veterans. Journal of Traumatic Stress 22(6), 654–657. https://doi.org/10.1002/jts.20460
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Wong, P. T. P (1998b). Meaning-centered counseling. In P. T. P. Wong & P. S. Fry (Eds.). The human quest for meaning. A handbook of psychological research and clinical applications (pp. 395-435). Mahwah, New Jersey, London: Lawrence Erlbaum Associates Publishers.